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Fernwärme-Chef: "Wir haben keine andere Wahl" Fernwärme-Chef: "Wir haben keine andere Wahl"
Chronik

Fernwärme-Chef: "Wir haben keine andere Wahl"

Die Fernwärme wird um 92 Prozent teurer. Im Schnitt um 45 Euro pro Monat.
W24 Redaktion
Mittwoch, 08. Juni 2022
Verfasst am 08.06.2022 von W24 Redaktion

„Wir haben keine andere Wahl. Das sind die bitteren Folgen der weltweiten Energiekrise und beispiellos explodierender Großhandelspreise.“ Mit diesen Worten richtet sich der Geschäftsführer Michael Strebl fast schon entschuldigend an die Kund*innen der Wiener Fernwärme.

Bereits seit Herbst 2021 zeigen sich massive Preissteigerungen an den Energiegroßhandelsmärkten, der Ukraine-Krieg hat diese Entwicklung noch einmal verstärkt. Im Großhandel haben sich die Gaspreise im Vergleich zum Vorjahr vervielfacht – der österreichische Gaspreisindex stieg gegenüber Juni 2021 um mehr als 420 Prozent. Dazu kommt die allgemeine Teuerung, die insbesondere mit deutlich gestiegenen Baukosten ein weiterer Preistreiber für die Fernwärme ist.

Wenn dem Antrag stattgegeben wird, wird sich der Fernwärmepreis zur kommenden Heizsaison mit plus 92 Prozent in etwa verdoppeln. Für einen durchschnittlichen Wiener Haushalt bedeutet das Mehrkosten von etwa 45 Euro monatlich. Wien Energie versorgt mehr als 440.000 Haushalte in Wien mit Fernwärme. Knapp zwei Drittel der Privatkund*innen unterliegen dem amtlichen Preisbescheid.

Eine Milliarde Euro Investitionen: Raus aus Gas als einzige Alternative

Wien Energie konnte die Preise jahrelang stabil halten, die Fernwärmepreise im Preisbescheid wurden zuletzt 2016 erhöht. Jetzt ist der Schritt allerdings ohne Alternative. Auch die effiziente Erzeugung in den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowie die Nutzung der Wärme aus der Müllverbrennung und industrieller Abwärme können die Preis-Entwicklungen nicht mehr ausreichend abfedern.

„Es gibt nichts zu beschönigen. Die Preiserhöhung ist drastisch, aber es gibt nur einen Weg: Wir müssen raus aus Gas. Das gelingt nur durch massive Investitionen in erneuerbare Wärme. Dafür brauchen wir ausreichend wirtschaftliche Stabilität und müssen finanzielle Verluste vermeiden. Kurzfristig ist das teuer, langfristig aber besser: fürs Geldbörserl und fürs Klima“, betont Strebl. Bis 2040 soll die Fernwärme in Wien klimaneutral und damit auch unabhängig von teuren Gas-Importen sein. Wien Energie investiert allein in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro in den Gasausstieg. Mehr als 600 Millionen Euro gehen in Wärmeprojekte wie Großwärmepumpen und Geothermie.

Die zuständige Behörde für die Erlassung eines neuen Preisbescheides ist die Magistratsabteilung 62 (Wahlen und verschiedene Rechtsangelegenheiten). Laut dem Büro von Wirtschafts- und Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) wird die amtliche Preiskommission nun abklären, in welcher Dimension die Erhöhung gerechtfertigt ist bzw. ob der Antrag den rechtlichen Vorgaben entspricht. Vorgesehen ist ein Verfahren nach dem Preisgesetz und dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz.

Dort haben die Wirtschaftskammer, die Arbeiterkammer sowie die Landwirtschaftskammer Parteienstellung. Das entsprechende Verfahren dauert üblicherweise etwa drei Monate, hieß es auf APA-Anfrage. Der Fernwärmepreis setzt sich übrigens aus einem Grundpreis und einem Arbeitspreis zusammen. Ersterer deckt die Bereitstellung der Wärme, Wartung und Service sowie Ablesung- und Abrechnungsdienstleistungen ab. Der Arbeitspreis ist die tatsächlich verbrauchte Wärme.

Hanke: Energieunterstützung ab Ende Juni

Hanke verwies in einer Stellungnahme auch auf die von der Stadt initiierte neue Energieunterstützung. 260.000 besonders betroffene Wienerinnen und Wiener würden ab Ende Juni 200 Euro direkt auf ihr Konto bekommen, betonte er. Aber Herbst werde der Kreis der Bezieher zudem erweitert.

Mit Empörung reagierte die Arbeiterkammer (AK). Fernwärme werde überproportional häufig von einkommensschwachen Haushalten genutzt. Mit der Erhöhung drohe vielen Menschen nun der endgültige Absturz in die Armut, so AK-Präsidentin Renate Anderl am Mittwoch in einer Aussendung. Gefordert sei nun eine Ausgleichszahlung für betroffene Haushalte.

Und auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian zeigte sich alles andere als erfreut: "Ehrlich gesagt, i hab' a g'schaut wie ein Autobus", sagte er im ZIB2-Interview zur geplanten Erhöhung. Seinem Informationsstand zufolge handle es sich aber um einen Antrag, der noch nicht beschlossen sei. Nun gebe es erst einmal ein Prüfungsverfahren, bei dem man Stellungnahmen abgeben könne. Sollte aber die Wien Energie diese Maßnahme setzen müssen, dann gehe er davon aus, dass es eine Kompensation der Stadt Wien geben werde.

Die Wiener Grünen pochten auf eine Abschöpfung bzw. eine Umverteilung der Gewinne von Wien Energie. "Wir müssen jetzt die Gewinne der Wien Energie an die Bevölkerung weitergeben, anstatt sie mit einer Verdopplung der Preise noch weiter zu belasten", so die Wiener Parteivorsitzende Judith Pühringer in einer Mitteilung.

In ein ähnliches Horn stieß der Bundesobmann-Stellvertreter der Freiheitlichen Wirtschaft, Reinhard Langthaler. Schon jetzt kämen viele Menschen nicht mehr mit ihrem Geld aus, die Erhöhung mache es noch schlimmer. Langthaler appellierte an die Wiener Wirtschaftskammer, sich in der Kommission gegen die Preissteigerung zu stemmen.

Für ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner liegt die Verantwortung bei der rot-pinken Stadtregierung. "Der Wiener Weg bedeutet massive Mehrbelastung für die Wiener Bevölkerung." Da die Fernwärme zu den Wiener Stadtwerken gehöre und sich damit im Eigentum der Stadt Wien befinde, könne Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die Verantwortung auch nicht abschieben, meinte sie. (apa)