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"Das Rote Wien" im Fokus "Das Rote Wien" im Fokus

"Das Rote Wien" im Fokus

Eine aktuelle Schau im Wien Museum MUSA nimmt 15 Jahre "Rotes Wien" unter die Lupe. Sonderführungen an 13 Locations.
Vanessa Kogler
Montag, 29. April 2019
Verfasst am 29.04.2019 von Vanessa Kogler

100 Jahre ist es her, dass die Sozialdemokratische Arbeiterpartei bei den Wiener Gemeinderatswahlen die absolute Mehrheit erringt. Damit beginnen 15 Jahre „Rotes Wien“ – und eine Kommunalpolitik, die einschneidende soziale, kulturelle und pädagogischen Reformen nach sich zieht.

Die Ausstellung im MUSA, derzeit Ausweichquartier des Wien Museums, konzentriert sich aufgrund des Platzmangels vor allem auf die Kernthemen im „roten Wien: Wohnbau, Bildung und Fürsorge sowie das Kunstverständnis oder die Frauenpolitik. Als oberstes Ziel wurde die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiterschaft definiert, was auch den Fokus auf den Wohnbau erklärt.

„Luxussteuer“ ermöglicht Wohnbau-Vorhaben

Denn die weniger wohlhabenden Schichten lebten in Wien nach dem Ersten Weltkrieg in oft dramatisch schlechten Umständen. Prekäre Wohnsituation, Obdachlosigkeit und Hunger gehörten zum Alltag. Im Roten Wien wurden mittels einer völlig umgekrempelten Fiskalpolitik - also mit Steuern auf "Luxus" wie Pferde, Autos oder Dienstboten - bis 1934 mehr als 60.000 Wohnungen oder auch Freizeit- und Bildungseinrichtungen geschaffen.

In der Schau erhalten die Monumente dieser Epoche naturgemäß besonderes Gewicht. Der riesige Karl-Marx-Hof in Döbling etwa widersprach dem damals international favorisierten Modell der kleinteiligen Siedlungen am Stadtrand fundamental. Und die Namensgebung, so ist zu erfahren, sorgte wenig überraschend für harsche Kritik aus konservativen Kreisen.

„Wiener Schulreform“ im Fokus

Völlig anders als bisher wurde auch die Aufgabe von Bildungseinrichtungen gesehen. Statt sinnlosem Drill sollten Kinder zur Selbstständigkeit erzogen werden. In der Ausstellung wird dabei vor allem auf die "Wiener Schulreform" von Otto Glöckel verwiesen. Eine wichtige Rolle erfüllten auch die sogenannten Arbeiterbüchereien. Auch auf das sogenannte Fürsorgewesen wird eingegangen. Unter der Verantwortung des Arztes Julius Tandler wurden Wohlfahrtseinrichtungen geschaffen - und die körperliche Gesundheit in den Mittelpunkt der Jugendlichen gestellt. Unumstritten ist das nicht mehr: Tandler griff auf eugenisches Gedankengut zurück und verwendete den Begriff "lebensunwertes Leben". Die klassenbewusste Arbeiterschaft sollte ihre neue Gemeinschaft auch nach außen hin zelebrieren, die Utopie wurde quasi religiös inszeniert. Das Wien Museum nennt als Beispiel dafür etwa die, wie es im Begleittext heißt, "mit viel Pathos demonstrierte" Arbeiterolympiade 1931.

Fotos, Schriften und Filmdokumente

Die Ausstellung bietet eine Vielzahl historischer Fotos und Schriften und zeigt zahlreiche Filmdokumente. Auch Originalplakate oder -flugblätter sind zu sehen - etwa ein unzimperlicher Aufruf, von seinem Stimmrecht Gebrauch zu machen: "Wer nicht wählt, stellt sich auf eine Stufe mit Schwachsinnigen, Minderjährigen und Verbrechern", heißt es da. Auch eines der berühmten "Säuglingswäschepakete" oder zerschossene Bücher aus den Tagen der Unruhen im Jahr 1934 sind Exponate der Sonderschau.

Dabei sind eine Reihe von Ikonen des Roten Wien im Rahmen von Sonderöffnungen bzw. Führungen zu besichtigen. Mit dabei ist etwa der Tanzsaal im Karl-Seitz-Hof, das Einküchenhaus im Heimhof, die ehemalige Partei- und Verlagszentrale Vorwärts-Haus, das Kongressbad oder der Waschsalon im Karl-Marx-Hof. Hier gibt es seit 2010 eine Dauerausstellung über das Rote Wien – und immer wieder Sonderausstellungen, wie aktuell jene zum Jahr 1929. Es geht um das große Internationale Sozialistische Jugendtreffen und die Zeit des Roten Wien zwischen seiner 10-Jahr-Feier und dem drohenden Faschismus. (apa/vk)

"Das Rote Wien. 1919-1934"
Wien Museum MUSA
30. April 2019 bis 19. Jänner 2020
1., Felderstraße 6-8


Heldenplatz `29
Das Rote Wien zwischen Feier und Faschismus
Waschsalon – Karl-Marx-Hof
11. April 2019 bis 26. Jänner 2020
19., Halteraugasse 7