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Wiener Berufsrettung macht jetzt auch Mini-OPs am Herzen Wiener Berufsrettung macht jetzt auch Mini-OPs am Herzen
Chronik

Wiener Berufsrettung macht jetzt auch Mini-OPs am Herzen

Notärzte greifen zum Chirurgengarn - Behandlungsmethode für schwere Stich- und Schussverletzungen - Erstes Bundesland mit flächendeckender Implementierung.
W24 Redaktion
Dienstag, 18. Februar 2025
Verfasst am 18.02.2025 von W24 Redaktion

Die Wiener Berufsrettung will Opfer von Stich- oder Schusswaffenangriffen künftig vermehrt selbst vor Ort am offenen Herzen behandeln. Bei dem Konzept handelt es sich um ein als "Clamshell-Thorakotomie" bekanntes Verfahren. Dabei wird Patient*innen mit Kreislaufstillstand der Brustkorb geöffnet, "um lebensgefährliche Verletzungen notdürftig zu reparieren", wie Chefarzt Mario Krammel bei einem Hintergrundgespräch skizzierte.

Die an das "Aufklappen einer Muschelschale" angelehnte Methode gilt in Österreich noch als relativ jung, hat jedoch unter anderem im Rettungswesen in London oder Berlin Schule gemacht. "Wir haben das vor zehn Jahren in Berlin gesehen und uns überlegt, wie wir diese Ausbildung nach Wien bringen können", sagte Notarzt Krammel, einer der Ideengeber bei der Berufsrettung. Nun sei man soweit, "Clamshell-Thorakotomien" könnten mittlerweile in der ganzen Hauptstadt bei Bedarf erfolgen. 100 Notärzt*innen sowie 80 Notfallsanitäter*innen wurden bisher ausgebildet, weitere sollen folgen. Die Berufsrettung sei damit österreichweit Vorreiter. "Wir wagen uns damit an ein Feld, das bisher in der präklinischen Versorgung nicht in dieser Form verbreitet war", ergänzte ein Sprecher.

Durchgeführt wird eine solche Behandlung immer nur von erfahrenen Notärzt*innen. Das Personal aus dem Sanitätsbereich assistiert dabei.

Chefarzt: "Absolute Notfallmaßnahme, sind keine Chirurgen"

Maßgebliche Indikationen für den Einsatz einer solchen Behandlung seien lebensbedrohliche Schuss- oder Stichverletzungen am Herz, der Lunge oder an anderen großen Gefäßen in Verbindung mit einem Herzkreislaufstillstand. Doch auch bei Patient*innen mit "Pfählungsverletzungen wie bei einem Arbeitsunfall auf einer Baustelle" sei eine "Clamshell-Thorakotomie" ein möglicher Anwendungsfall.

Konkret erfolgt für den Eingriff ein waagrechter Schnitt zwischen den Rippen. Im zweiten Schritt geschieht die behelfsmäßige Versorgung der inneren Verletzungen - unter anderem durch eine interne Herzdruckmassage genauso wie durch Nähte. Dafür nehmen die Ärztinnen und Ärzte der Berufsrettung selbst Nadel und Garn in die Hand, wobei Krammel bewusst um Abgrenzung bemüht war: "Wir sind keine Chirurg*innen." Mit der flächendeckenden Einführung des Eingriffs solle kein Konkurrenzdenken geschürt werden. "Das, was wir hier machen, ist wirklich eine absolute Notfallmaßnahme im Rahmen der Wiederbelebung, wenn das Herz aufgehört hat zu schlagen." Denn oft seien Sekunden über Leben oder Tod eines Patienten entscheidend, erklärte Krammel der APA.

Überlebensrate bei 35 Prozent

Erfahrungen aus der Vergangenheit im Rettungswesen hätten gezeigt, dass vor allem akuter Blutverlust, ein Lungenkollaps, Sauerstoffmangel oder eine Blutansammlung im Herzbeutel zu einem - oft letztlich tödlichen - Kreislaufstillstand geführt hätten. "Und da bringt halt die Herzmassage und der Defibrillator nichts. Wir können unseren Patient*innen nicht anders helfen - außer mit dieser Notfallmaßnahme, um sie dann schnellstmöglich ins Krankenhaus zu bringen", so Krammel. "Sie hätten ansonsten keine Überlebenschance." Er verwies in diesem Zusammenhang auf Studien zur Überlebensrate nach einer "Clamshell-Thorakotomie" in Folge eines Kreislaufstillstands aufgrund einer Herzverletzung. Demnach blieben 35 Prozent der Behandelten aufgrund einer solchen Behandlung am Leben. 2022 sei es darum nach jahrelangen Überlegungen schließlich zum Beginn eines Ausbildungsprojekts für die "Clamshell-Thorakotomie" gekommen.

Im Jänner 2023 musste die Berufsrettung zum ersten Mal auf die neue Maßnahme zurückgreifen. Ein 60-Jähriger hatte damals in der Kienmayergasse in Penzing lautstark mit einer Schusswaffe an der Tür seines Nachbarn geklopft. Nach einem darauffolgenden Schusswechsel mit der Polizei wurde der Mann von Cobra-Beamten erschossen und verstarb letztlich trotz erfolgter Notfallbehandlung. Insgesamt seien 2023 drei Einsätze mit Clamshell-Thorakotomie gezählt worden. 2024 erfolgten Behandlungen an fünf Personen. Zwei davon überlebten ihre Verletzungen, zuletzt eine junge zweifache Mutter im August 2024 in Wien-Penzing nach lebensgefährlichen Stichverletzungen. "Und genau darum machen wir das." (apa/red)