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IKG: Höchststand bei antisemitischen Vorfällen IKG: Höchststand bei antisemitischen Vorfällen
Gesellschaft

IKG: Höchststand bei antisemitischen Vorfällen

2021 sind der Antisemitismus-Meldestelle insgesamt 956 Vorfälle gemeldet worden, ein Anstieg von 65 Prozent.
W24 Redaktion
Freitag, 13. Mai 2022
Verfasst am 13.05.2022 von W24 Redaktion

Die Zahl der bekannt gewordenen antisemitischen Übergriffe in Österreich hat einen neuen Höchststand erreicht. Im Jahr 2021 wurden der Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) insgesamt 965 antisemitische Vorfälle gemeldet. Dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr mit 585 Vorfällen einem Anstieg um 65 Prozent und somit der höchsten erfassten Anzahl seit Beginn der Dokumentation vor 20 Jahren.

Präsident Oskar Deutsch sprach bei der Präsentation des Berichts für 2021 am Freitag von einem Negativrekord. "Das wichtigste: So erschreckend das ist, wir werden uns nicht einschüchtern lassen", betonte er. Man kämpfe gegen Antisemitismus mit jüdischem Leben an. Notwendig seien dafür aber massive Ausgaben für die Sicherheit. 20 Prozent gebe die IKG dafür aus, pro Kopf mehr als der Staat Israel.

Einem dramatischen Anstieg der Vorfallsmeldungen im ersten Halbjahr folgte ein über den Sommer währender Rückgang, berichtete IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele, der auch Vorsitzender der Meldestelle ist. Als mögliche Ursachen nannte er die militärische Eskalation zwischen palästinensischen Terrororganisationen in Gaza und dem Staat Israel zurückzuführen und die neuen Corona-Schutzmaßnahmen samt Impfpflicht-Ankündigung.

Beim ideologischen Hintergrund ordnet der Bericht 48 Prozent der antisemitischen Vorfälle unter "Rechts", 15 Prozent unter "Links" und elf Prozent unter "Muslimisch" ein, der Rest war nicht zuordenbar. Auffällig ist für Nägele, dass bei Angriffen und Bedrohungen der muslimische Hintergrund überwiegt: Bei den Angriffen waren es sieben von zwölf, bei den Bedrohungen 14 von 22.

Bei den Angriffen nannte Nägele etwa die Attacke auf einen als jüdisch erkennbaren Buben auf der Salztorbrücke in Wien, aber auch die Bedrohung einer nicht-jüdischen Studentin in der U-Bahn, die ein Buch über jüdische Geschichte gelesen hatte. "Antisemitismus betrifft nicht nur die jüdische Gemeinschaft, sondern die gesamte Gesellschaft", betonte er in diesem Zusammenhang. Die Polizei wollte dies zunächst nicht als antisemitistischen Vorfall aufnehmen, hier werde nun sensibilisiert. Auch Deutsch sah das so: "Antisemitismus ist per se antidemokratisch." Wer die demokratische und freie Gesellschaft verteidigen wolle, müsse dagegen einschreiten.

Das Innenministerium kündigte in einer Stellungnahme zum Antisemitismusbericht an, dass es künftig eine enge Vernetzung zwischen der Meldestelle und der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) geben werde. Antisemitische Vorfälle hätten vor allem durch die Corona Pandemie massiv zugenommen, wurde erklärt. "Das entschlossene Vorgehen gegen jede Form von Antisemitismus ist nicht nur historische Verantwortung, sondern vor allem aktuelle Herausforderung - der sich die Polizei und der Staatsschutz umfassend stellen", unterstrich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) bezeichnete die Zahlen als "höchst alarmierend und beunruhigend". Im Justizministerium arbeite man derzeit unter Einbindung der Stakeholder an einer Novelle zum Verbotsgesetz. "Es sollen rechtliche Lücken identifiziert werden, um künftig noch konsequenter gegen Antisemitismus vorgehen zu können", versprach sie. Die Grüne Kultursprecherin Eva Blimlinger unterstrich die Bedeutung des Hass-im-Netz-Pakets der Regierung. Von "Mahnung und Auftrag zugleich" sprach Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).

Für die SPÖ warnte Mandatarin Petra Bayr, dass Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft komme und nicht nur an deren Rändern stattfinde. Großes Engagement der Politik sei hier notwendig. Erinnerungskultur-Sprecherin Sabine Schatz verlangte eine konsequente Umsetzung der Strategie gegen Antisemitismus. Für mehr Prävention, Bildung und Aufklärung in den Communitys plädierte auch Stephanie Krisper von den NEOS.