Forderung: Reform der europäischen Fiskalregeln
Wien fordert, die EU-Fiskalregeln einer Reform zu unterziehen - sobald diese wieder gelten. Die Coronapandemie hat dafür gesorgt, dass das Regelwerk mit seinen strikten Schuldenkriterien bis Ende 2022 ausgesetzt ist. Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) hat sich dafür ausgesprochen, sie nicht mehr in der ursprünglichen Form in Kraft zu setzen. Denn dies würde eine "Investitionsbremse" zur Folge haben. Rückendeckung holte er sich vom deutschen Wirtschaftsweisen Achim Truger.
"Es sind massive Investitionen der öffentlichen Hand in den nächsten Jahren nötig", begründete Hanke seinen Vorstoß in einer Pressekonferenz. Die Richtlinien seien zu restriktiv und würden nur von wenigen Ländern eingehalten. So dürfe die Neuverschuldung pro Jahr nicht über 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Die Gesamtverschuldung dürfe nicht höher als 60 Prozent des BIP sein. Truger bezeichnete diese Werte als "willkürliche Grenzen".
Die Zeit bis zum geplanten Wiederinkrafttreten solle für eine Diskussion über modernere Regeln genutzt werden, forderte Hanke. Sogar EU-Budgetkommissar Johannes Hahn habe befunden, entsprechende Überlegungen anzustellen. "Das ist ein guter Vorschlag, den unterstütze ich stark", sagte der Ressortchef. Er hob hervor, dass umfangreiche Investitionen nötig seien, um die Wirtschaft nach der Pandemie wieder aufzubauen.
Würden die Fiskalregeln wieder unverändert eingesetzt, bestehe die Gefahr, dass der Aufschwung gestoppt werde. Kosten für Schul- oder Spitalsbauten seien etwa schon während der Bauphase voll defizitwirksam. Private Errichter könnten hingegen die Ausgaben über die wirtschaftliche Nutzungsdauer abschreiben.
Truger, der nicht nur Mitglied des deutschen Wirtschaftsweisenrates ist, sondern auch das Vienna Economic Council (ein Expertengremium der Stadt, Anm.) unterstützt, zeigte sich überzeugt, dass man über eine Reform nicht umhinkommen werde, wobei hier auch länderspezifische Regeln möglich wären, wie er befand. Flexibilität sei hier oberstes Gebot. Truger hat wiederholt davor gewarnt, dass der Konsolidierungsdruck auf europäischer Ebene groß wird, wenn sowohl die Defizite als auch die Schuldenstände hoch sind.
Er verwies heute auf die Goldene Regel für öffentliche Investitionen, die besage, dass Nettoinvestitionen am sinnvollsten durch Kredite finanziert würden. Denn von neuer Infrastruktur würden zukünftige Generationen profitieren, die auch mitfinanzieren sollten.
Hanke kündigte heute unter anderem Gespräche mit dem Finanzministerium an, um den Bund von der Notwendigkeit einer Reform zu überzeugen. Auch mit den Bundesländern wolle er sich diesbezüglich koordinieren. (apa)